Auf den Spuren des tschechischen Antisemitismus in Brünn und des Anteils tschechischer Schuld am Holocaust.
Das heute nicht mehr existente Café, das im Jahre 1925 anstelle des älteren Cafés Habsburg für den Brünner Cáfebetreiber Alois Strompf entworfen worden war, galt als beliebter Treffpunkt bekannter Gäste aus den Reihen tschechischer, deutscher und insbesondere jüdischer Intellektueller und Künstler. Im noblen funktionalistischen Interieur, wo zum Kaffee praktisch alle bedeutenden ausländischen Zeitungen gereicht wurden, trafen sich Journalisten, Schriftsteller, Schauspieler aus dem nahe gelegenen Theater und Architekten, darunter auch der Freundeskreis von Ernst Wiesner, aus dessen Feder das Projekt für das Interieur des Cafés stammte.
4x Café Esplanade. Fotos © Museum der Stadt Brünn
„In dem Moment kam ein älterer, grauhaariger Jude aus dem Café gelaufen. Er trug ein rosafarbenes Hemd, seinen Mantel hatte er nicht dabei, hinter ihm wehten weiße Hosenträger, seine Hose war vorne offen und er hielt sie mit der Hand umklammert, damit sie ihm nicht herunterfiel. Als er herauskam, brach das Spalier in Jubel aus, und diese Leute, die durch und durch anständig, vollkommen zivilisiert wirkten, Leute, mit den man sich zu normalen Zeiten ohne Hemmungen unterhalten würde, holten zum Schlag aus und versetzen dem alten Mann mit voller Kraft Faust- und Nackenschläge oder traten auf ihn ein. Er lief durch diese Gasse und von allen Seiten hagelte es Hiebe. Kein Laut kam über seine Lippen, doch mit einem Schlag ging er zu Boden. Ohne einen Ton von sich zu geben, war er auf der Stelle tot!“
Schundblätter „Árijský boj“. Foto © Michal Konečný
Unruhen und Provokationen wurden auch aus weiteren Cafés wie dem Alfa, Avion, Brychrova kavárna sowie dem deutschen Café Zeilerhof gemeldet. Die polizeilichen Ermittlungen der Vorfälle im August wurden auf Anordnung deutscher Behörden in die Zuständigkeit der Gestapo übertragen, sodass deren Mitglieder weder angeklagt, geschweige denn bestraft wurden. Die Beteiligung tschechischer Faschisten stellt nur einen der wenigen nachgewiesenen antisemitischen Ausfälle von Tschechen gegen tschechische Juden dar. Während des Protektorats konzentrierte sich die antijüdische Stimmungsmache insbesondere in den Schundblättern „Árijský boj“ und „Árijský útok“, die zum Teil auch in Brünn erschienen.