Die Textilschule und Weltausstellungen
Der große Erfolg des Brünner Textilwesens, dessen Produkte seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts buchstäblich in die ganze Welt strömten, brachte die Fabrikanten dazu, sich mit der fachlichen Ausbildung ihrer Mitarbeiter zu befassen. Deshalb beschlossen sie schließlich, eine Textilfachoberschule zu errichten, die seit 1860 Direktoren, Meister und Spezialisten für Brünner Wollfabriken ausbildete.
Das Gebäude der K. k. Lehranstalt für Textilindustrie, wie die neue Schule später hieß, entstand nach den Plänen des Architekten Josef Nebehosteny an der ehemaligen Franz-Josef-Straße (der heutigen Francouzská), und bald wurde sie zu dem wichtigsten Ausbildungszentrum für die Textilindustrie in Österreich-Ungarn.
Großer Wert wurde in dem Unterricht auf die Praxis in modern ausgestatteten Werkstätten gesetzt, in denen Maschinen zur Herstellung von Woll-, Seiden- und Baumwollwaren aufgestellt waren. Zu der modernen Schulausstattung gehörten auch eine Färberei, eine Bleicherei und eine Druckerei sowie Laboratorien. Eine eigenständige Abteilung stellte ein neu gegründetes Forschungsinstitut dar.
Die hier ausgebildeten Fachleute waren bald in der Lage, so hochwertige Webstoffe zu entwerfen und herzustellen, dass diese auf den Weltausstellungen in London (1851, 1862), Paris (1855, 1867, 1878, 1889, 1900) oder Wien (1873) Aufmerksamkeit geweckt haben. Die Fabrikbesitzer sammelten Gold- und Silbermedaillen für ihre Erzeugnisse, die als Spitzenprodukte der österreichisch-ungarischen Industrie angeboten wurden. Aus diesen erstklassigen schwarzen Feinwolltuchstoffen ließ sich angeblich auch die britische Königin Victoria ihre Kleider nähen.
Die Geschichte der Brünner Textilschule endete erst 2012, als das altehrwürdige Institut mit der Mittelschule für Kunst und Design und der Restauratoren-Fachhochschule zusammengelegt wurde, weil die niedergehende Textilindustrie in Brünn keine weiteren Fachkräfte benötigte. Dabei sind mehrere Disziplinen im Bereich der Textiltechnologie, Spinnerei, Weberei sowie Strickerei und Wirkerei zugunsten von neumodischen Fächern verschwunden.
Textilschule in Brünn zur Zeit ihrer Errichtung. Foto © AMB
Industriepalast auf der Weltausstellung in Paris, 1855