Die Low-Beers haben weder ihren Sinn für Humor noch sich selbst verloren.
Nach der Flucht aus der Tschechoslowakei begannen einige Mitglieder der Familie Löw-Beer ihren Namen mit -o- ohne Umlaut zu schreiben, was im englischsprachigen Umfeld erhebliche Konsequenzen hatte: Aus dem stolzen Löw-Beer wurde „Dünnbier“. Die Low-Beers haben sich jedoch ihren Sinn für Humor bewahrt, so dass die empfohlene nächste Station unseres Themenweges die nahe Brauerei Starobrno am Platz Mendelovo náměstí ist. Hier können Sie sich entspannen, essen, trinken und im Sinne des berühmten mährischen Sinns für Humor ein kleines 10-Grad-Bier zu Ehren des alt-neuen Nachnamens trinken – auf die Löw-Beers oder Low-Beers.
Tipp: In der Nähe der Brauerei finden Sie auch die Alt-Brünner Abtei und darin ein Museum, das Johann Gregor Mendel, dem berühmten Begründer der Genetik, gewidmet ist. Johann Gregor Mendel formulierte hier 1856–1863 seine Vererbungsgesetze, ein Werk, dessen Bedeutung erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts vollständig anerkannt wurde. Eine Kombination seiner Arbeit und Darwins Theorie der natürlichen Selektion stand an der Wiege der Evolutionsbiologie und Genetik.
Das Mendel-Museum hat großartige Exponate und ist einen Besuch wert. Foto: Das Mendel-Museum
Aus den Erinnerungstexten von Daniel Low-Beer:
Die Geschichte von Johann Gregor Mendel kannte ich aus Erzählungen meines Vaters als seine große Inspiration. Ähnlich wie Mendel waren die mährischen Juden offen für Wissenschaft und neue Perspektiven, die sie mit dem Glauben an die moderne Welt verbanden. Es war ihre neue Religion, die es ihnen ermöglichte, das Ghetto zu verlassen und einen wesentlichen Beitrag zur modernen Kultur des frühen 20. Jahrhunderts zu leisten. Einer der berühmten mährischen Juden war auch Sigmund Freud. In unserer Familie verbinde ich den Respekt vor der Wissenschaft und den Mut, den Status Quo in Frage zu stellen, am meisten mit der Tante Friedl. Ein Beisammen mit ihr war immer unglaublich, wertvoll, intensiv, konzentriert wie starker Kaffee, wie Espresso. Sie faszinierte auch Oskar Kokoschka, der ihr Porträt malen wollte, aber sie lehnte es ab. Sie war eine so starke und integrale Persönlichkeit, dass das, was sie sagte, oft in meinem Kopf geblieben ist, lange nachdem wir uns verabschiedet hatten. Wenn ich mir die Augustinerabtei in Alt-Brünn in Gedächtnis rufe, erinnere ich mich an die Tante Friedl, die zusammen mit ihrem Ehemann Peter Brown ein Buch über den heiligen Augustinus verfasste. Eine neue, psychologische Art von historischer Biographie, die unter die Oberfläche geht. Eine Rezension beschrieb ihre Arbeit als „eine Biographie, in der Augustinus aus dem Grab geholt und sein funktionierender Geist und seine Emotionen gezeigt werden“.
Friedl Löw-Beer, Foto aus dem Buch Arks.
Meine Tante enthüllte mir vieles von unserer Vergangenheit. Ihre Töchter Gabrielle und Saskia erfreute, was ich über sie schrieb, als ich sie mit einer Zypresse verglich: „Ich sehe Zypressen, und ich sehe Friedl. Etwas rau, rank und elegant. Sie biegen sich im Wind, verlieren jedoch nie ihre Gestalt. Ihre Individualität, ihre Aufrichtigkeit. Wenn der Wind weht, beugen sie sich nie bis nach unten. Sie wiegen sich und tanzen in überraschenden, frei fließenden friedlschen Figuren.“
Friedl schrieb mir einen Brief, in dem sie eine ihrer letzten Reisen ins Haus meiner Großmutter in Südfrankreich schilderte und mich aufforderte: „Schneide die Zypressen nicht und schreib, schreib, schreib!“ Die Bäume wurden groß und versperrten die schöne Aussicht. Ich versuchte zu argumentieren, dass wir im Schatten der Giganten der Vergangenheit leben. Wie können wir Leichtigkeit, Sonne, Gegenwart in diesem Zypressenschatten spüren? Wir müssen sie durchlichten, um weiter als nur in die Vergangenheit zu sehen. Trotzdem habe ich es nicht getan, ich habe lieber das ganze Haus umgebaut. Ihre Aufforderung zum Schreiben war noch schwieriger.
Bei einem der letzten Gespräche lag die schwer kranke Friedl auf einer stilvollen Chaiselongue. Sie lebte in der Pullens Lane in Headington bei Oxford in einem modernen Haus mit einem schönen Garten und mit Blick auf die Türme der Stadt. Sie mochte offene Fenster zum Garten und drosselte die Heizung, so dass drinnen die Kälte von draußen zu spüren war. Die klaren Linien des modernen Hauses waren mit Stapeln von Büchern und Papieren bedeckt, mit den ungeordneten Komplexitäten des menschlichen Lebens. Sie hatte Krebs im späten Stadium, aber strahlte immer noch Energie aus, wie eine Zypresse im Wind der Freiheit und des Lebens. Eben in diesem Haus schrieb sie ihre wichtigsten psychologischen Einblicke in das Leben des heiligen Augustinus.
Übrigens, obwohl ihr eigenes Wohnen eine gewisse Reminiszenz an das Haus Tugendhat war, mochte sie die Brünner Villa, in der sie regelmäßig als kleines Kind spielte, nicht besonders. Sie wirkte wohl gegen die Quellen der Unordnung, gegen die psychologische Komplexität, welche die Löw-Beers charakterisierte. Vermisste Friedl die Stapel von Briefen und Büchern, die komplizierten Linien und die Komplexität des wirklichen Lebens? Fühlte sie etwa die Schwere der Moderne, die Erwartung von Transparenz und Klarheit, Ordnung und klaren Linien? Hatte sie das Gefühl, dass man Sachen im Wohnzimmer nicht liegen lassen konnte, weil sonst die klaren Linien anfangen, sich wie Zypressen im Wind zu kräuseln und zu zittern?
Die nächste Station ist nicht weit entfernt. Gehen Sie vom Platz Mendlovo náměstí durch die Straße Křížová und biegen Sie links in die Straße Václavská ab. Oder nehmen Sie wieder die Straßenbahn Nr. 1 in Richtung Hauptbahnhof und steigen Sie an der Haltestelle Václavská aus.