Auf den Spuren der jüdischen Emanzipation und der Bedeutung der Juden beim Aufstieg der Stadt Brünn.
Ein neues Kapitel der jüdischen Geschichte in Brünn begann kurz nach dem Revolutionsjahr 1848, als Juden in der gesamten Habsburger Monarchie dieselben Bürgerrechte erhielten wie die christliche Mehrheitsbevölkerung. Anfang der 50er Jahre des 19. Jahrhunderts entstanden in der Stadt die ersten jüdischen Institutionen, eine wichtige Rolle darunter spielte der Interimsausschuss des Religionsvereins, der sich den Bau einer neuen Synagoge zur Aufgabe machte. Das Magistrat lehnte zwar die Möglichkeit ab, die Synagoge direkt in der Stadt zu errichten, hatte aber gegen die Erbauung des Gebäudes an sich keine Einwände.
Große Synagoge. Foto © Archiv der Stadt Brünn
Große Synagoge an der Ecke der Straßen Přízová und Spálená. Foto © Archiv města Brna
Große Synagoge. Foto © Židovské muzeum v Praze
Große Synagoge. Foto © Židovské muzeum v Praze
Große Synagoge. Foto © Archiv der Stadt Brünn
Die Emanzipation der Juden in der Monarchie machte im Laufe weniger Jahre ungeheure Fortschritte. Noch vor kurzem wäre eine solche Sache undenkbar gewesen. Nach dem Erwerb einer Parzelle an der Ecke der heutigen Straßen Spálená und Přízova beauftragte der Verein das namhafte Wiener Projektionsbüro unter der Leitung der Architekten Johann Julius Romano von Ringe und August Schwendenwein von Lanauberg mit der Erstellung der Pläne. Diese entwarfen für Brünn ein monumentales Gebäude im historisierenden neoromanischen Stil, das mit seinem Charakter voll und ganz in den Kontext der Wiener Architektur aus der Zeit der Anlage der Ringstraße eingebettet war, an der beide Architekten in wesentlicher Weise beteiligt waren.
Der Bau der Synagoge, die von der Brünner Firma Anton Onderka umgesetzt wurde, begann im Jahr 1853. Mit der großzügigen Unterstützung durch Brünner Unternehmer jüdischen Ursprungs konnte diese mit einem feierlichen Gottesdienst im Beisein des Wiener Oberrabbiners Isak Mannheimer bereits zwei Jahre später am 17. September 1855 eingeweiht werden. Das Bauwerk, das auf einem regelmäßigen Grundriss ruhte und einen markanten Rundbogengiebel besaß, dessen oberer Abschluss Moses’ Gesetzestafeln mit den Zehn Geboten trug, wurde von der jüdischen Gemeinde Brünn im 19. Jahrhundert mehrmals aus- und umgebaut – neben dem Stadttheater war es eines der ersten öffentlichen Gebäude Brünns, die über elektrisches Licht verfügten.
Isak Mannheimer. Lithographie: Eduard Kaiser (1858)
Als Symbol des jüdischen Brünn wurde die Synagoge von den Nationalsozialisten unter Beteiligung tschechischer Faschisten in der Nacht vom 16. auf den 17. März 1939 in Brand gesetzt. Mitglieder der SS wachten darüber, dass der Brand nicht gelöscht wurde, sodass das Gebäude bis auf die Grundmauern abbrannte. Die Trümmer mussten Zeitzeugen zufolge von Brünner Juden, die man dorthin getrieben hatte, weggeräumt werden. Wie nach dem Krieg schrieb der Landesrabbiner Richard Feder: „Von diesem barbarischen Akt waren die Juden derart geschockt, dass sie ihren Abscheu und Widerwillen nicht in Worte fassen konnten. Daher sagten sie nur: Gott wird dies rächen. Die Juden liebten ihre Synagoge, auch wenn sie sie vielleicht nicht immer fleißig besucht hatten. Sie hatten sie doch selbst aus freiwilligen Spenden erbaut. Praktisch jede Familie verbanden schönste Erinnerungen mit ihrer Synagoge.“ Gleich nach dem Krieg ging die Leitung der Stadt die Verpflichtung ein, anstelle der zerstörten Synagoge den Brünner Juden, die im Zuge des Holocaust ermordet worden waren, ein Denkmal zu setzen. Doch dazu kam es nicht und dort, wo einst eines der interessantesten Gebäude der Stadt Brünn stand, liegt heute ein verlassener Schuttplatz.