Auf den Spuren jüdischer Architekten in Brünn und ihrer Bauwerke.
Einen festen Bestandteil der Identität der Stadt Brünn bildet die funktionalistische Architektur – der für die Zeit der Ersten Tschechoslowakischen Republik typische Stil, an dessen Wiege im Wesentlichen Architekten und Baumeister jüdischen Ursprungs standen. Eines der bemerkenswertesten Beispiele für die funktionalistische Architektur der Stadt Brünn ist die Synagoge „Agudas Achim“ – wörtlich übersetzt „Vereinte Brüder“ –, die ein Verein orthodoxer Juden, die im Laufe des Ersten Weltkriegs aus Galizien nach Brünn geflüchtet waren, mit Hilfe von Spenden errichten ließ.
Synagoge „Agudas Achim“. Foto © Museum der Stadt Brünn
Synagoge „Agudas Achim“. Foto © Jüdisches Museum in Prag
Entwurf eines Interieurs. Foto © Museum der Stadt Brünn
Die nüchterne Architektur der Synagoge wurde im Frühjahr 1934 vom Architekten Otto Eisler entworfen und zwei Jahre später vom Bauunternehmen seiner Brüder Arthur und Moritz Eisler umgesetzt. Der Familienbetrieb gehörte zu den bedeutendsten Unternehmen seiner Art in Brünn, der zwischen den Weltkriegen an der Erbauung zentraler funktionalistischer Projekte beteiligt war, allen voran an der berühmten Villa Tugendhat, deren Entwurf vom deutschen Architekten Mies van der Rohe stammte.
Villa Tugendhat. Foto © PETR1987
Otto Eisler machte sich einen Namen als Architekt von Miets- und Wohnhäusern, Villen und öffentlichen Gebäuden, an deren Entstehung er oft mit weiteren berühmten Brünner Architekten jüdischen Ursprungs zusammenarbeitete. In der Besatzungszeit wurde er, ebenso wie seine Brüder Arthur, Moritz und Hugo in ein Konzentrationslager gebracht, das er – im Gegensatz zu zwei seiner Brüder – überlebte. Als weiterer bedeutender Brünner Architekt sei noch Ernst Wiesner genannt, ein gefragter Autor eleganter Villen der reichsten jüdischen Unternehmer, Fabrikanten, Rechtsanwälte und Ärzte der Stadt Brünn, aber auch von Geschäftshäusern, Cafés und anderen öffentlichen Gebäuden, der zu den größten Architekten des Funktionalismus in Mitteleuropa zählt.
Otto Eisler. Foto © Museum der Stadt Brünn
Dem goldenen Zeitalter des funktionalistischen Brünn setzte die Besetzung durch die Nationalsozialisten ein jähes Ende. Vielen Architekten jüdischen Ursprungs wie etwa Ernst Wiesner, Zikmund Kerekes, Leopold Drucker, Norbert Troller, Endre Steiner oder Rudolf Lothar Baumfeld gelang im letzten Moment die Flucht ins Exil, wo sie den Ruhm des Brünner Funktionalismus weiter trugen. Doch zahlreiche bedeutende Architekten und Bauunternehmer wie etwa Jan Haas, Heinrich Blum oder Felix Gallia kamen in Ghettos und Vernichtungslagern in Polen und der Ukraine ums Leben. Von allen Architekten jüdischen Ursprungs war im Brünn der Nachkriegszeit nur noch Otto Eisler als Architekt tätig. Nach der Verstaatlichung des Bauunternehmens seiner Familie im Februar 1948 wurde er in die Leitung des Zoologischen Gartens von Brünn berufen, wo er mehrere Pavillons und weitere Objekte entwarf.
Besichtigungen der Synagoge sind außerhalb der Gottesdienste nur für organisierte Gruppen mit Reiseleiter nach Anmeldung beim Touristischen Informationszentrum Brünn oder beim Informationszentrum der Jüdischen Gemeinde Brünn möglich.
Oberkantor Arnošt Neufeld mit der Tora vor dem Tabernakel in der Synagoge (1997). Foto © Jaroslav Klenovský.